Für Immer Fassbinder – Erinnerung und affektive Reputation
Rainer Werner Fassbinder – mehr als 40 Jahre nach seinem Tod ist sein Filmschaffen in der ganzen Welt präsent, wird gefeiert und bewundert. Ausstellungen, Werkschauen, Bücher, Filme, Forschung, T-Shirt-Designs – woher kommt das scheinbar niemals verebbende Interesse an Fassbinder und seinen Werken? Günter Rohrbach tröstet in einem Nachruf auf Fassbinder mit den Worten: „Regisseure sterben nicht, solange ihre Filme leben.“[1] Konträr zu dieser Aussage, argumentiere ich in meiner Forschungsthese, dass Filme nicht sterben, solange die Reputation der oder des jeweiligen Filmschaffenden lebt. Fassbinder ist als deutscher Regisseur zweifellos zu einem Teil unseres kollektiven Gedächtnisses geworden und sein Oeuvre ist enorm. Doch die andauernde Relevanzzuschreibung seiner Werke gründet nicht in der bloßen Existenz derer, ihrem Inhalt oder ihrer ästhetischen Qualität, sondern darin, was zu und über Fassbinder gesagt, geschrieben sowie gezeigt wurde und wird: in seiner Reputation. Was genau verbirgt sich hinter dem Begriff, wie entstehen neue affektive Bindungen zu bereits verstorbenen Künstler*innen und welchen Einfluss nehmen sie auf Relevanzzuschreibungen bezüglich ihrer Werke? Was hat Fassbinder selbst zur Genese seiner affektiven Reputation beigetragen? Und „Wie soll man leben, wenn man nicht sterben will“[2]?
[1] Günther Rohrbach, „„Ich will doch nur …“. Zum Tod von Rainer Werner Fassbinder,“ in In guter Gesellschaft. Texte über Film und Fernsehen, hrsg. von Hans Helmut Prinzler (Berlin: Bertz+Fischer). Deutsche Filmakademie e.V., 1982 / 2008), 300.
[2] Rainer Werner Fassbinder, „Wie soll man leben, wenn man nicht sterben will,“ in Berlin Alexanderplatz (Deutschland: 1980).

Profil
Anna Bell organisiert derzeit Workshops zu Future Skills sowie die Vortragsreihe Digital Pioneers im Rahmen des International Career Service Rhein-Main. Im Wintersemester 2024/25 war sie Lehrbeauftragte im Fach Filmwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit 2014 ist sie für verschiedene Filmfestivals tätig – zuletzt für das Luststreifen Film Festival Basel, das Kasseler Dokfest und das Snowdance Independent Film Festival Essen.
Sie studierte Politik sowie Medien- und Kommunikationswissenschaft in Mannheim und im schwedischen Umeå. Anschließend absolvierte sie ein Studium der Filmkultur an der Goethe-Universität Frankfurt. Von 2020 bis 2023 war sie Mitglied des Graduiertenkollegs Konfigurationen des Films. In ihrer laufenden Dissertation erforscht sie den Einfluss von Reputation und Affekt auf das kulturelle Gedächtnis am Beispiel von Rainer Werner Fassbinder. Ihre Forschungsinteressen liegen insbesondere in interdisziplinären Feldern wie den Memory Studies, der Performance- und Reenactment-Forschung sowie der Queer Theory.