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Sophia Gräfe
Assoziierte Doktorand_in

VERHALTENSWISSEN. SCHREIB- UND BEOBACHTUNGSSZENEN DES VERHALTENS AM ZOOLOGISCHEN INSTITUT DER HUMBOLDT-UNIVERSITÄT ZU BERLIN (1948–1968) (AT)

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts hat sich das ‚Verhalten‘ als selbstverständlicher Topos in anthropologische Diskurse jedweder Disziplin eingeschrieben, von der Philosophie, Biologie, Soziologie bis zur Ethnologie und Ökonomie. Konzepte des Verhaltens dienen dabei vielfach als Werkzeug einer Zukunftsprognose und Gefahrenvorsorge. Eine wissensgeschichtliche Analyse der jeweils historischen Bedingungen für dieses Wissen vom Verhalten als Beschreibungskategorie und Bestimmung des Lebendigen liegt bislang nicht vor.

 

Gegenstand einer ersten Untersuchung auf dem Weg zu einer Wissens- und Kulturgeschichte des Verhaltens ist das Diskursfeld des Verhaltens der 1950er und 1960er Jahre. Im Mittelpunkt des Promotionsprojekts steht eine paradigmatische Schreib- und Beobachtungsszene des Verhaltens, in der das disziplinierende Potential des Wissens um das Verhalten, seine sozialpolitische Sprengkraft sowie seine Bedingtheit durch materielle Kulturen und mediale Verfahren auf originäre Weise zu Tage tritt. Die Untersuchung orientiert sich am wissenschaftlichen Nachlass des ostdeutschen Verhaltensbiologen Günter Tembrock (1918–2011), der zwischen 1948 und 1968 Verhaltensstudien an Rotfüchsen in den Arbeitsräumen- und Freigehegen des Zoologischen Institutes auf dem heutigen Gelände des Museums für Naturkunde Berlin durchführte.

 

Neben der kultur- und medienwissenschaftliche Analyse der materiellen Kultur der Verhaltensexperimente an Zoo- und Fundtieren in den Arbeitsräumen des Institutes dient das Projekt zugleich der Aufarbeitung des brisanten wissenschaftspolitischen Kontextes der Verhaltenswissenschaft in der DDR sowie der anthropologischen Konsequenzen der Thesen Tembrocks vor dem Hintergrund gesellschaftspolitischer Debatten in SED-Diktatur und Kaltem Krieg. Zusätzlich widmet sich die Untersuchung der Schwierigkeit des Schreibens – zwischen Wahrnehmung und Text und im Spannungsfeld von Politik und Biologie –, die sich im Falle Tembrocks mitunter in fiktiven Texten niederschlug.

 

Das Promotionsprojekt stützt sich auf Literatur aus der Biologie, Psychologie, Kulturwissenschaft, Literatur-, Medien- und Wissensgeschichte. Zudem bearbeitet es im Wesentlichen Quellenmaterial (Schriftgut, Fotografien, Filme und Tondokumente) aus dem bislang noch unerschlossenen Nachlass von Günter Tembrock, der heute in den Räumen des Museums für Naturkunde Berlin verwahrt wird.

 

Fig. 1:
Still aus Günter Tembrock: Lautforschung bei Vulpes vulpes L und anderen Caniden, Universitätsfilm T-HF-289, produziert vom Deutschen Zentralinstitut für Lehrmittel (DZL), 1958, 35mm, Agfacolor, 206m.

Profil

Sophia Gräfe studierte Medien- und Kulturwissenschaft in Weimar und Berlin. In Weimar war sie unter anderem als wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für die Mediengeschichte der Wissenschaften (M. Krajewski) und der Geschichte und Theorie der Kulturtechniken (C. Vismann) tätig. In Berlin assistierte sie der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit des Exzellenzclusters Bild Wissen Gestaltung.

Von 2015 bis 2018 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Kulturwissenschaft der Humboldt-Universität (Lehr- und Forschungsbereich Kulturwissenschaftliche Ästhetik und Kulturtheorie, I. Därmann) zu Berlin tätig. Gemeinsam mit H. Engelke forscht sie seit dem Frühjahr 2018 im DFG-Heisenbergprojekt »Transdisziplinäre Netzwerke des Medienwissens« an der Philipps-Universität Marburg.

Sie war 2019 Mitglied des Forschungsschwerpunktes Lebenswissen des Leibniz-Zentrums für Kultur- und Literaturforschung in Berlin. Ferner ist sie seit März 2018 Gastwissenschaftlerin des Museums für Naturkunde Berlin.

Als freie Autorin und Assistenzkuratorin hat sie zudem mit mehreren Medien- und Experimentalfilmfestivals wie der transmediale, dem Werkleitz Festival und den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen sowie Galerieprojekten und Künstlerstudios zusammengearbeitet.

 

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