Maps of the Commons. Kuratorische und archivarische Karten aktivistischer Energie
Mein Disserationsprojekt beschäftigt sich mit kuratorisch-archivarischen Neukartierungen des öffentlichen Raums in Reaktion auf den Energieverlust politischer Proteste. Energie kann aus physikalischen Gesichtspunkten nie verschwinden, sondern nur übertragen werden. Mit der Frage nach dem Energieverlust einer Bewegung gehen also auch Fragen nach der Speicherung und der Mobilisierung von Energie einher. Kartierungen, analoger, digitaler, auditiver und filmischer Art, begreife ich in diesem Zusammenhang als Medien der Methode aktivistischer Bewegungen, das diese sichtbar machen, legitimieren und speichern. Wann beginnt der konservatorische Impuls einer aktivistischen Bewegung, wann beginnt sie über ihre Funktionen und ihre Folgen nachzudenken? Diese Überlegungen stelle ich in Bezug auf den Begriff des „Commons“ an. Da Raum immer durch den gemeinsamen Gebrauch entsteht, ist er ständigen Schwankungen zwischen Energieverlust und Wiederaufnahme unterworfen. Die Performativität der Nutzung zeigt sich auch anhand von Karten, die als Mittel der Planung, Organisation und Dokumentation, kurz als Mittel der Handlungsmacht, genutzt werden.
Meine Fallbeispiele kreisen um Ereignisse aus der politischen Ereignisgeschichte – Gegenkartierungen nach den Protesten und die Besetzung der Straßenkreuzung plus Tankstelle in Minneapolis infolge der Ermordung von George Floyd 2020, eine Remedialisierung der ‚Kent-State-Massaker‘, bei dem 1970 vier Studierende am Rande einer Demonstration gegen den Einmarsch von US-Truppen in Kambodscha auf ihrem Campus von der Nationalgarde erschossen wurden; die Wiedervereinigung in Deutschland nach anhaltenden Protesten und ihre Auswirkungen auf die Kunst am Bau-Politik beider deutscher Staaten am Beispiel eines Behördenhinterhofs in Berlin-Hellersdorf; die kartographische Darstellung von kulturellen Schätzen in South Central Los Angeles, als Umdeutung einer Art No-Go-Zone durch die Nachbarschaft. Alle diese Ereignisse können im Sinne anhaltender Kartierungsprozesse beschrieben werden, da hier ganz konkret Raumwissen generiert wird. Die beschriebenen Praktiken der Kartierung werden damit in Abgrenzung zu hegemonialen Kartierungen der Kontrolle zu Mitteln, um sich andere Formen von Gemeinschaften vorzustellen und Energie aufrechtzuerhalten.
Als „Maps of the Commons“ arbeiten sie kuratorisch-archivarisch an einer ungewissen Zukunft. Sie nehmen Vorstellungen und Ansprüche auf und medialisieren diese. Zwischen dem Wunsch der Legitimierung und Erhaltung und dem Versuch einer Institutionalisierung und Musealisierung zu entgehen, entsteht dabei eine widersprüchliche Dynamik der Aushandlung.


Profil
Maren Feller ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Medienwissenschaft am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt. In ihrer Dissertation untersucht sie anhand des Commons-Begriffs die Archivierungs- und Kartierungspraktiken von aktivistischen Bewegungen.
Publikationen:
Dominique Gonzalez-Foersters Antikenroman. Wo wohnen die mythischen Figuren der Skulptur Projekte?, in: Curatorial Statements. ART-Dok., 2024, Link.
Pinning Down George Floyd. Punitive Mapping and its Counter-Imagination, in: Soumik Pal; Namrata Rele Sathe (eds.), Media and the Police State, Jump Cut: A Review of Contemporary Media, 2024, Link.