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Charlotte Bösling
Doktorand_In, dritte Kohorte (2023-2026)

Choreographien des (Nicht-)Fallens

 

Wenngleich es häufig der Aufstieg in einer vertikalen Bewegung ist, der den Erfolg des Kletterns markiert, so ist es dennoch oft der Sturz, der Einzug in die audiovisuelle Darstellung des Sports findet. Ausgehend von Berg-, Expeditions- und Kletterfilmen untersucht das Dissertationsprojekt Choreographien des (Nicht-)Fallens die Dialektik des (Nicht-)Fallens.
Mit der Darstellung fallender Körper zeigen Kletterfilme „Grenzgang“ [1] oder „edgework“[2] im Moment des Kontrollverlustes. Während ein erfolgreicher Grenzgang die Kontrolle über Bewegung und Körper aktiv aufrechterhält, markiert der Moment des Sturzes die Überschreitung der Grenze und den Verlust der Kontrolle. Das Dissertationprojekt untersucht, wie Körper (unter anderem durch Medien) choreographiert werden, um nicht zu fallen oder um im Fall Autonomie zu wahren. Auch die Choreografierung der filmschaffenden Teams und Körper, die einen zweiten Grenzgang darstellt, wird untersucht und in enger Verknüpfung von Medien- und Technologiegeschichte im performativen Sportmoment betrachtet.
Das Fallen kann aufgrund seiner Verletzungs- oder Todesgefahr als Tabuthema und Ereignis verstanden werden, welches im zuschauenden Körper Reaktionen viszeraler Art hervorruft. Kletterfilme können dennoch inspirieren, Bewegungen vermitteln oder zum Training genutzt werden und somit visuelle Agenten darstellen, die auf Körper zugreifen. Eine Sozialgeschichte früher Bergfilme, der Begriff der ‚Eroberung‘ and Vertikalität sowie die damit verbundene Bildgeschichte von kolonisierten, gegenderten, Arbeits- und Leistungskörpern werden kritisch untersucht.

 

 

[1] Stern, Martin. Stil-Kulturen. Performative Konstellationen von Technik, Spiel und Risiko in neuen Sportpraktiken. Bielefeld: transcript Verlag 2010.

[2] Lyng, Stephen. Edgework: A Social Psychological Analysis of Voluntary Risk Taking. University of Chicago, 1990.

 

 

Fig. 1:
FREE SOLO (US 2018, Vasarhelyi & Chin): Dean Potter in Yosemite
Fig. 2:
FREE SOLO (US 2018, Vasarhelyi & Chin): Mikey Schaefer filming El Capitan
Fig. 3:
THE HIGH ROAD (US 2019, Reel Rock & Sender Films): Nina Williams im Highball

Profil

Charlotte Bösling ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Philipps-Universität Marburg und promoviert derzeit im Graduiertenkolleg „Konfigurationen des Films“ der Goethe-Universität Frankfurt. Sie ist affiliiertes Mitglied des Forschungsprojekts Delocating Mountains: Cinematic Landscapes and the Alpine Model an der Universität Innsbruck. Sie studierte Angewandte Theaterwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen und schloss den Masterstudiengang „Medien und kulturelle Praxis“ der Philipps- Universität Marburg ab. Seit 2015 arbeitet Charlotte Bösling als freiberufliche Fotografin, Videografin und Regisseurin unter anderem am Schauspiel Frankfurt, beim Women’s Bouldering Festival Fontainebleau, am Künstler*innenhaus Mousonturm, an den Gedenkstätten Augustaschacht und Gestapokeller. 2023 erschien Beyond the Gaze“, ein von Prof. Dr. Greta Olson geschriebener „Lehr“film, bei dem Charlotte Regie führte und der die Produktion und Rezeption von Filmen kritisch in den Blick nimmt. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Körpergeschichte und Körperpraktiken, Filmästhetik, Sport- und Gebrauchsfilm und non-theatrical Film, Theater, Performativität und Film. 

www.charlotteboesling.com



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