Menü Schließen
Simone Nowicki
Doktorand_In, dritte Kohorte (2023-2026)

Das Ohr übersieht nicht. Foley-Künstlerinnen zwischen verkörperter Praxis und institutioneller Definitionsmacht

Mein Dissertationsprojekt widmet sich der Frage, was es bedeutet, Geräusche zu machen und dennoch ungehört zu bleiben. Im Zentrum steht die Marginalisierung von Foley-Künstlerinnen, insbesondere von Frauen, deren unverzichtbare Arbeit für den Filmton bis heute als sekundär gegenüber dem Bild betrachtet und häufig als bloßes Handwerk abgewertet wird. Diese Unsichtbarkeit zeigt sich sowohl in Archiven, die ihre Arbeit kaum erfassen, als auch in rechtlichen Strukturen, die ihre Autorinnenschaft nicht anerkennen.

 

Ausgehend von meiner Praxis als Foley-Künstlerin verbinde ich Artistic Research mit einer Analyse verkörperten Wissens. Foley-Arbeit basiert auf dem, was Michael Polanyi als „tacit knowledge“ beschrieben hat, ein implizites, leiblich gebundenes Wissen, das sich nur durch Handlung, Geste und Materialbezug weitergeben lässt. Dieser handwerklich-performative Charakter wurde in der Filmgeschichte häufig unsichtbar gemacht. Frauen wie Beryl Mortimer, die über Jahrzehnte zentrale Klanglandschaften für internationale Produktionen schufen, wurden in Credits und Archiven auf „Sound Effects“ reduziert, während die Bezeichnung „Foley“ erst posthum mit dem Namen Jack Foley verbunden wurde und dadurch eine männlich geprägte Heldenfigur hervorbrachte.

 

Institutionelle Definitionen tragen bis heute zur Marginalisierung bei. Die FIAF klassifiziert Foley als „technisches Handwerk“ und die Motion Picture Editors Guild als „halbqualifizierte Arbeit“. Damit wird die kreative Dimension systematisch negiert. Interviews mit Praktikerinnen wie Alison D. Moore machen deutlich, dass solche Zuschreibungen direkte Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen, Bezahlung und Anerkennung haben. Meine eigenen Erfahrungen, etwa als Solistin bei Let’s Play in der Elbphilharmonie Hamburg 2024, zeigen dagegen, dass Geräuschemachen eine künstlerische Praxis ist, die im Konzertsaal ebenso wie im Studio eine eigenständige, performative Autorinnenschaft entfaltet. Diese Diskrepanz verweist auf die Notwendigkeit, Autorschaft und geistiges Eigentum in der Medienproduktion neu zu denken.

 

Fig. 1:
Filmstill aus "Der Schuß im Tonfilmatelier" (Alfred Zeisler, Deutschland 1930): Ernst Behmer, Ewald Wenck (in der Box), Erwin Kalser, Paul Kemp (in der Mitte), Dr. Erich Leistner (im weissen Kittel) (jeweils v.l.n.r.), DFF - Deutsches Filminstitut & Filmmuseum.

Profil

Simone Nowicki ist Doktorandin im Graduiertenkolleg Konfigurationen des Films an der Goethe-Universität Frankfurt unter der Betreuung von Prof. Vinzenz Hediger und arbeitet als Foley-Künstlerin. Ihre Forschung verbindet Archivarbeit, unter anderem im Lautarchiv Berlin, im Deutschen Rundfunkarchiv und in der Margaret Herrick Library in Los Angeles, mit Artistic Research in Performances, Sound-Installationen und Interviews.

 

Neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit entwickelt sie Klangkonzepte für Museen und Ausstellungen, darunter für die Arolsen Archives, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die documenta 15. Ein Schwerpunkt ihrer künstlerischen Praxis liegt auf Live-Foley-Performances, in denen die körperliche Dimension des Geräuschemachens sichtbar wird. Zuletzt war sie 2024 in der Elbphilharmonie Hamburg sowie bei den ARD Hörspieltagen in Karlsruhe zu erleben. Seit 2025 ist sie außerdem Chair des Sound Studies Network bei der NECS und Mitorganisatorin der internationalen Konferenz Moving Image Remains: On the Refusal to Disappear (Goethe-Universität Frankfurt, 29.–31. Januar 2026).

 

Kontakt

 

Meine Arbeit lebt von interdisziplinären Gedanken, Interviews und Erfahrungsberichten. Ich freue mich über Rückmeldungen, Kooperationen und Hinweise.

 

nowicki@tfm.uni-frankfurt.de | kontakt@simone-nowicki.org

 

Linktree: simonenowicki

 

Vorträge (Auswahl)

 

  • Who Owns the Echo? Foley Artistry, Copyright, and the Politics of Sonic Visibility, NECS 2025 Conference, Lissabon.
  • Das Ohr übersieht. Foley und Unsichtbarkeit, Kieler Tagung Filmmusik 2025, Köln.
  • Panel zur Archivierung von Foley-Sound, zus. mit Jonáš Kucharský, Vinzenz Hediger, Sara Pinheiro, Archival Assembly 2024, Berlin.

 

Publikationen und Medien

 

  • Verortung unmöglich? – Audiofeature (2022), ausgezeichnet mit dem Claus-Dieter-Krohn-Preis (Körber-Stiftung, DFF)
  • Einblendungen. Elemente einer jüdischen Filmgeschichte der Bundesrepublik (Neofelis Verlag, 2022)
  • Transitionen. Filmische Dimensionen des Übergangs (Tagungsband, 2024)
  • FAZ (Jan 2025): Porträt Wie ein Hörbuch entsteht
  • Süddeutsche Zeitung / dpa (Sept 2024): Bericht Tag des offenen Denkmals, Speyer
  • SWR Handwerkskunst! (März 2024): TV-Doku Wie man eine Filmszene vertont
  • Hamburger Abendblatt (Feb 2024): Bericht Let’s Play, Elbphilharmonie
  • Deutschlandfunk Kultur – Kompressor (2023): Interview über Geräuscharbeit
  • freundin Magazin (2025): Feature über meine Arbeit
Mitglieder
Koordinator_in